Kriminalitätsbekämpfung

Tatortdokumentation der dritten Dimension

Eine akribische und lückenlose Tatortarbeit kann bei der Klärung von Straftaten entscheidend sein. Seit 1. November 2020 kommt in Österreich zusätzlich zur Lichtbilddokumentation am Tatort die 3D Laser-Tatortdokumentation zum Einsatz. Bundesminister Karl Nehammer präsentierte die neue Methode im Rahmen einer Pressekonferenz.

Eine unter dem Schreibtisch liegende Notiz, die Anzahl der am Tisch befindlichen Gläser oder die Position der Leiche – all das kann wichtige Hinweise auf den Täter geben. Daher ist eine akribische und lückenlose Tatortarbeit bei der Klärung von Kriminalfällen oftmals ausschlaggebend. Derzeit sind rund 200 Expertinnen und Experten auf Landes- und rund 350 auf Bezirksebene in der österreichischen Exekutive dafür zuständig.

Procedere am Tatort
Ehe ein Tatort von den Tatortgruppen übernommen wird, haben lebensrettende bzw. lebenserhaltende Maßnahmen, wie der Einsatz des Notarztes, der Rettung, der Feuerwehr usw. absoluten Vorrang gegenüber dem Spurenschutz und der folgenden Tatortarbeit. Ein gefährlicher Angriff muss beendet und die Tatortsicherheit hergestellt sein: das heißt der Angreifer festgenommen, die Durchsuchung von Objekten abgeschlossen, die Gefahrenquellen zum Beispiel durch den Entschärfungsdienst besichtigt und beseitigt sein. Ab der Übernahme eines Tatortes durch die Tatortgruppe des jeweiligen Landeskriminalamtes hat die ranghöchste Beamtin bzw. der ranghöchste Beamte die Verantwortung über den Tatort. Es liegt in ihrer bzw. seiner Entscheidung, was wann geschieht bzw. wer den Tatort betreten darf. Diese Vorgehensweist ist österreichweit durch die "Richtlinien zur Tatortarbeit" klar geregelt. Die bzw. der Verantwortliche der Tatortgruppe entscheidet aufgrund ihrer/seiner Erfahrung, der Tatortsituation und der sichtbaren oder erwarteten Spurenlage, wann weitere Spezialisten hinzugezogen werden wie zum Bespiel die Gerichtsmedizin oder das Laser-Team etc. Gute Kommunikation und Zeitmanagement sind hier sehr wichtig!

3D-Tatortdokumentation
Seit dem 1. November wird diese Arbeit durch den Einsatz von Laserscannern um eine Komponente reicher: der Tatort kann nun durch Spezialisten des Bundeskriminalamts (BK) dreidimensional festgehalten werden, wodurch die Tatortaufarbeitung auf ein neues Level gehoben wird. Die neue Technologie ermöglicht es, einen Tatort so zu erfassen, dass eine virtuelle, detailgetreue und dreidimensionale Dokumentation erstellt und im Strafverfahren als Beweismittel zugelassen wird. Dadurch ist nicht nur die Möglichkeit gegeben sich in einem einzelnen Raum, sondern auch in ganzen Anwesen mit mehreren Räumen frei zu bewegen, ohne den Tatort erneut betreten zu müssen. Dies macht zudem eine nachträgliche Vermessung von Gegenständen oder des gesamten Tatorts möglich.

Fortschritt durch Technik
Die Laserscan-Technologie wird bereits seit langem in der Vermessungsbranche eingesetzt und war aber bis dato sehr aufwendig und komplex in der Handhabung. Die Hersteller dieser Systeme arbeiteten einige Jahre an Optimierungen, wodurch die Erfassung der Daten nun schneller und benutzerfreundlicher erfolgt. Das BK hat die Lasersysteme angeschafft, die von drei Experten im Tatortbüro des BK bedient werden. Bei diesen Systemen handelt es sich um einen terrestrischen Laserscanner sowie um einen Handscanner. Der terrestrische Laserscanner kann bis zu zwei Millionen Messpunkte pro Sekunde erfassen, wobei die maximale Reichweite 130 Meter beträgt. Bei der Erfassung der Daten wird durch die Laserabtastung eine sogenannte Punktwolke in Graustufen erstellt. Anschließend werden 360 Grad Panoramaaufnahmen angefertigt, die im nächsten Schritt mit der Punktwolke zusammengeführt werden. Dadurch erhält man eine realitätsgetreue und farbige Punktwolken-Darstellung des Tatorts.

Von der Aufnahme zum begehbaren Tatort
Benötigt das Erfassen der Daten vor Ort rund zwei Minuten pro Scan, steckt jedoch ein großer Aufwand in der Erstellung der begehbaren Tatorte. Alle Daten, die zuerst festgehalten werden, müssen am Computer zusammengeführt und bearbeitet werden, was je nach Größe des Tatorts auch bis zu mehreren Tagen dauern kann.

Kein Ersatz der Lichtbilddokumentation am Tatort
Die 3D Laser-Dokumentation kann als zusätzliche Dokumentationsart angesehen werden, die dazu dient, eine noch bessere Übersicht über komplexe Tatorte zu erhalten. Die Aufnahme von Lichtbildern am Tatort, die durch die Tatortgruppen der Landeskriminalämter (LKA) erstellt werden, bleibt jedoch weiterhin unerlässlich für eine lückenlose Dokumentation, da diese Aufnahmen in die dreidimensionale Datenerfassung eingespeist werden können. Durch eine spezielle Technik der Tatortfotografie ist es möglich, Objekte oder abtransportierte Leichen nachträglich in den dreidimensional dargestellten Tatort zu implementieren.

Nachvollziehbare nachträgliche Bearbeitung
Um Vorwürfen der nachträglichen Einbringung von Objekten und Personen zu entgegnen, werden die erfassten Rohdaten in einer unveränderten Version gespeichert. Es ist hier somit immer klar ersichtlich und nachvollziehbar, wie und in welcher Form Bearbeitungen stattgefunden haben.

Einsatzgebiete und zukünftige Entwicklungen
Die etablierten Lasersysteme des Tatortbüros im BK werden für die Aufarbeitung von Tatorten in ganz Österreich eingesetzt. Insbesondere bei Tatorten nach schweren Straftaten oder nach Großschadensereignissen, wie Explosionen oder Großbränden kommt die 3D-Technologie zum Einsatz. Zukünftig werden auch unterschiedliche Simulationen, wie beispielsweise Schusswinkelbestimmungen oder Blutspurenmusteranalysen anhand der dreidimensional erzeugten Modelle ausführbar sein.

Artikelfoto # 1
Foto: ©  BK
3D-Tatortdokumentation
Foto: ©  BMI/Pachauer

Artikel Nr: 18290 vom Freitag, 4. Dezember 2020, 15:36 Uhr
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